15 Jahre beharrliches Engagement in allen handwerkspolitischen Kanälen ebnet nun zwölf Gewerken die Rückführung in die Anlage A der Handwerksordnung: Wie es derzeit aussieht, bekommen die Raumausstatter Anfang 2020 die Meisterpflicht zurück.
Statistik2Auslöser Agenda 2019
Rückblick: 2004 wurden unter der rot-grünen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder im Zuge der „Agenda 2010“ weitreichende Reformen des deutschen Sozialsystems und des Arbeitsmarktes umgesetzt. Unter der Annahme, mehr Beschäftigung zu ermöglichen, novellierte man auch die Handwerksordnung (HwO). Von den bis dahin 94 zulassungspflichtigen Vollhandwerken (Anlage A der HwO) wurden 53 Gewerke in die Anlage B1 (zulassungsfreies Handwerk) überführt. Darunter die Raumausstatter, Sattler und Feintäschner. Fortan war es möglich, auch ohne Meisterbrief ein Unternehmen zu gründen. Die Betriebszahlen bei den Raumausstattern stiegen von knapp 9000 in 2003 auf nahezu 29000 in 2018. Bei den Sattlern fand eine Verdopplung statt. Gleichzeitig brachen in den 53 Gewerken die Zahlen der Auszubildenden sowie der Meisterabschlüsse ein. Allgemein wurde ein Qualitätsverlust in der handwerklichen Ausführung bemängelt. Trotz aller Bemühungen der Handwerksverbände, die Politik davon zu überzeugen, die damalige Entscheidung zu revidieren, wurde das Thema erst 2017 in Berlin wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Im aktuellen Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung wurde zaghaft eine Überprüfung der Rückführung zugesagt. Erst ein Antrag Bayerns im Herbst 2018 zur „Wiedereinführung des verpflichtenden Meisterbriefs“ brachte Bewegung in die Debatte. Er wurde Mitte Februar 2019 vom Bundesrat zum Entschluss an die Bundesregierung übergeben. Im April beauftragte die Koalitionsarbeitsgruppe „Meisterbrief“ unter Leitung von Carsten Linnemann (CDU) und Sören Bartol (SPD) das Bundeswirtschaftsministerium, ein Konsultationsverfahren aufzusetzen. Parallel wurden Gutachten zur wirtschaftlichen und rechtlichen Situation einer möglichen HwO-Novelle eingeholt sowie die 53 Gewerke der Anlage B1 aufgefordert, ihren Rückführungswunsch zu begründen.
Sattler sind nicht dabei
Schließlich erfolgte Anfang Juni eine Anhörung der Berufsstände. Für den ZVR verteidigten Geschäftsführerin Heike Fritsche und Präsident Harald Gerjets sowie die beiden Sattlermeister Sonja Weidig und Uwe Renner den 28-seitigen Rückführungsantrag der Gewerke Raumausstatter, Sattler und Feintäschner. Am 7. September verkündeten dann Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gemeinsam mit Carsten Linnemann und Sören Bartol, dass für zwölf Handwerksberufe die Meisterpflicht wieder gelten soll: Die Raumausstatter waren mit dabei ebenso wie die Parkett-, Estrich- und Fliesenleger oder die Rollladenbauer – die Sattler und Feintäschner leider nicht. In der gemeinsamen Presseerklärung der Regierungsparteien heißt es hierzu: „Entscheidend für die Einführung der Meisterpflicht ist, ob es sich um gefahrgeneigte Handwerke handelt, deren unsachgemäße Ausübung eine Gefahr für Leben und Gesundheit bedeutet. Außerdem sollen solche Handwerke berücksichtigt werden, die vom Kulturgüterschutz erfasst werden oder als immaterielles Kulturgut anzusehen sind.“
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Das Engagement von ZVR-Vizepräsident Harald Schmidt wurde bereits im Mai von Präsident Harald Gerejts mit der „goldenen Ehrennadel“ gewürdigt.

Letzte Hürde Gesetzgebung 
Das weitere Prozedere sieht vor, dass das Wirtschaftsministerium einen Gesetzentwurf auf den Weg bringt, der nach dem Beschluss der Bundesregierung noch die Beratungen im Bundesrat und Bundestag durchlaufen muss. Ziel ist es, eine Änderung der Handwerksordnung Anfang 2020 in Kraft treten zu lassen. Dass auf den letzten Metern noch Gewerke von der Liste gestrichen oder andere dazu genommen werden, scheint ebenso unwahrscheinlich wie das Scheitern des Gesetzes am EU- oder Verfassungsrecht. Die Koalitionsarbeitsgruppe „Meisterbrief“ stützt ihre Auffassung dabei auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Tritt die Novellierung in Kraft, muss (nach aktuellem Kenntnisstand) zur selbstständigen Ausübung des Raumausstatter-Handwerks ein Meisterbrief vorliegen. Bereits bestehende Betriebe ohne Meisterbrief sollen Bestandsschutz genießen. „Wir sind erleichtert, dass unsere monatelangen und intensiven Gespräche zu diesem wichtigen Qualitätsmerkmal Früchte tragen“, sagt ZVR-Präsident Harald Gerjets. „Mit dem Beschluss der Koalitionsarbeitsgruppe wird unser geschlossenes Auftreten als Zentralverband belohnt.“ Vizepräsident Helmut Schmidt, der federführend die Verbandsinteressen in der Handwerkspolitik vertrat, ergänzt: „Die Rückführung des Raumausstatter-Handwerks ist ein wichtiges Zeichen für die Sicherung von Qualitätsstandards und Zukunftsperspektiven für das Handwerk, für das ich seit 15 Jahren kämpfe.“

Hoffnung für die Sattler
„Wir sind sehr erfreut darüber, dass das Bundeswirtschaftsministerium gerade in den Bauberufen die Notwendigkeit anerkannt hat, diese in die Anlage A zurückzuführen“, sagt Felix Pakleppa, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, der auch der ZVR angehört. Pakleppa hat nun für die meisten Gewerke seiner Mitgliedsverbände die Rückführung erreicht. Dank gebührt auch den vielen Aktiven auf Innungsebene und in der Kommunalpolitik, die durch ihr stetiges Engagement auf die Rückführung hinzuarbeiten ihren Teil zum Erfolg beigetragen haben. Für die Sattler und Feintäschner sowie viele andere in der Anlage B1 verbliebenen Gewerke bleibt die Hoffnung, dass auch sie bei einer bereits angekündigten Evaluierung der HwO-Novellierung nach fünf Jahren nachrücken können. Maßgeb- lich hierfür wird auch die Entwicklung im Raumausstatter-Handwerk sein, Qualität und Quantität der Meisterbetriebe in ein ausgewogenes Verhältnis zu stellen.
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Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat das Bundeskabinett am 9. Oktober 2019 verabschiedet – mehr dazu lesen Sie hier.