Marina Woschni, Geschäfsführerin Neue Werkstätten, und Designer Bodo Sperlein vor dem imposanten Jacquard „Blast“ von Nya Nordiska. (Foto: Fabian Frinzel)

 

Die Ausstellung „Vienna Vibes“ fand zum Münchner Stoff Frühling 2020 statt.

Die Ausstellung „Vienna Vibes“ fand zum Münchner Stoff Frühling 2020 statt.

Zur Vernissage seiner Ausstellung „Vienna Vibes“ in den Neuen Werkstätten, München, nahm sich Designer Bodo Sperlein Zeit für ein Gespräch: über textiles Design, Kunstbewegungen und Handwerk.

Herr Sperlein, im Rahmen Ihrer Ausstellung „Vienna Vibes“ sind neben Möbeln, Leuchten und Tableware auch Stoffe zu sehen. Ist das neu?
Bodo Sperlein: Ja, in der Tat. Ich habe bisher noch nie Stoffe designt. Dekore waren mir natürlich nicht fremd, die ich beispielsweise für Porzellan gestaltet habe. Aber einen Rapport für einen Stoff zu entwickeln, war eine ganz andere Herausforderung und bedeutete wochenlange Arbeit. Erst nach und nach und je mehr man sich damit beschäftigt, versteht man, was in dem Thema Stoff alles drinsteckt. Es hat mich sehr gefreut, dass Nya Nordiska Vertrauen in mich hatte und mir die Kollektion angeboten hat. Obwohl ich nicht Textil, sondern Design studiert habe, hat man mir sehr viel Freiraum bei der Gestaltung gelassen. Nya Nordiska wusste eigentlich nicht genau, was kommt. Aber als wir die Entwürfe geschickt haben, war die Begeisterung groß.

Welche Inspirationen liegen Ihren grafischen Designs zugrunde?
Die Kollektion hat zwei Aspekte: Natur und Kunst. Der Kunstaspekt ist beeinflusst von den Art-Movements des beginnenden 20. Jahrhunderts, wie Kubismus oder die Wiener Moderne mit Josef Hoffmanns geometrischen Designs. Denn Jugendstil war ja nicht nur Ornat, in der Sezession gab es schon viel Grafisches. Eine weitere wichtige Bewegung war der Vortizismus aus England. Im Gegensatz zum viel zitierten Bauhaus ist diese frühere Kunstrichtung nicht so bekannt. Für mich persönlich aber spannender und mit ihrer Geometrie und Grafik zeitgemäßer: Grafik bewegt das Auge.

Bitte einige Details zum Material der Stoffe.
Dessin „Blast“ entfaltet sein grafisches Jacquard-Muster auf feinfädiger Baumwolle. „Boom“ ist ein beeindruckender Filz aus recycelter Wolle, die beim Zuschnitt von Mode anfällt. Filz hat uns vor eine große Aufgabe gestellt, denn der Stoff saugt starke Farben wie ein Löschblatt auf. Unsere Lösung war, mit reduzierten Grundtönen zu arbeiten: Rosa und Grau, Camel und Grau, Terracotta und Grau sowie Beige auf Beige.
Alle diese Farben eignen sich sehr gut für den Stoff und haben das Material geradezu geadelt.

Wie wichtig ist Ihnen Handwerklichkeit?
Das ist mir sehr wichtig. Bei „Balboo“ habe ich beispielsweise mit Monoprints gearbeitet und Linolschnitte angefertigt, um das Dot-Muster des Stoffes zu kreieren. Mit Vorhangqualitäten hatte ich mich bisher noch nie befasst. Das ist ein sehr spannendes Thema. Denn es gibt ja riesige Flächen mit Fenstern, die dekoriert werden müssen. Und das darf nicht langweilig aussehen. Mit einem leicht gemusterten Stoff am Fenster entsteht gleich eine andere Optik und – ein neues Raumgefühl.


BodoSperleinViennaVibes

Vor „Balbo“ (Nya Nordiska) mit seinem Dot-Muster präsentieren sich Hängeleuchte „Sript“ (Lobmeyr) und ein extravaganter Tisch aus dem Londoner Designstudio von Bodo Sperlein. „Boom“ und „Blitz“ (Nya Nordiska) zeigen das gleiche Muster auf unterschiedlichen Materialien: Filz und Jacquard. Für die Bettenmanufaktur Richard Behr zeigte Bodo Sperlein unter anderem seinen Entwurf „Rondo“.

 


Ihr Lieblingsdessin der neuen Kollektion?
„Boom“ und so gesehen auch „Blitz“. Denn „Boom“ ist die Filz- und „Blitz“ die Jacquard-Version des gleichen Dessins, beide sind sehr spannend. Bei den Farben gefällt mir Blau auf Blau besonders gut. Diese Kombi wirkt sehr elegant. Für mich als textiler Newcomer ist es beeindruckend, wie schön man bei Jacquard mit matten und glänzenden Aspekten spielen kann.

Die Ausstellung in den Neuen Werkstätten mit Designs für Jarosinski & Vaugoin, Lobmeyr, Nya Nordiska und Richard Behr heißt „Vienna Vibes“. Warum?
„Vienna Vibes“ kam deshalb zustande, weil die meisten dieser Objekte von Wien beeinflusst wurden – durch meine Reisen dorthin. Diese Stadt hat wahnsinnig viel zu geben, sehr viele kulturelle Aspekte. Ich habe dort tolle Ausstellungen besucht, wie die von Wes Anderson und Juman Malouf im Kunsthistorischen Museum, bei der kunsthistorische Objekte in einen neuen Zusammenhang gebracht wurden. Im MAK habe ich eine Ausstellung über Koloman Moser gesehen. Beide Expositionen haben mich sehr fasziniert und inspiriert. Als Designer habe ich so quasi immer meine Bücherei dabei. Zum Münchner Stoff Frühling wollte ich eine Ausstellung gestalten, die neben den neuen Stoffen für Nya Nordiska auch meine anderen Entwürfe mit einbezieht, sodass sich insgesamt eine Geschichte ergibt. Denn Stoffe wirken ganz anders, wenn in die textile Präsentation auch Möbel und Accessoires integriert werden.

Welchen Interieur-Stil bevorzugen Sie?
Ich bin ein Vintage-Fan, obwohl ich das Wort eigentlich nicht so sehr mag. Ich liebe alte Sachen: von denen kann man viel lernen und sie sind so gut hergestellt, dass sie lange funktionieren und auch für andere Generationen noch interessant sind. Warum nicht einen antiken Stuhl mit einem neuen Stoff beziehen, wenn der alte abgewetzt ist. Das gibt dem Möbel ja einen ganz neuen Look. Nachdem ich jetzt durch die Kollektion für Nya Nordiska in dem textilen Thema drin bin, begeistert mich das umso mehr. Sicher wird es auch nicht die letzte Stoffkollektion sein, die ich entworfen habe.

VIELEN DANK FÜR DAS GESPRÄCH.