Nachhaltigkeit am Bau bedeutet nicht nur ressourcenschonende Materialien einzusetzen, sondern sich auch über den Rückbau Gedanken zu machen.

Nicht erst seit Greta Thunbergs Wirken ist klar, dass wir uns von nachfolgenden Generationen an unserem ökologischen Fußabdruck messen lassen müssen. Schon 1713 verwendete Hans Carl von Carlowitz den forstwirtschaftlichen Begriff der Nachhaltigkeit mit der Bedeutung, nicht mehr Bäume zu fällen als nachwachsen können. Diese simple Erkenntnis wird der Menschheit heute zur schweren Bürde, denn sie lebt vielerorts über ihre Verhältnisse – ohne an morgen zu denken. Zur Einhaltung ambitionierter Klimaziele und zur Verbesserung der CO2-Bilanz muss auch die Bauindustrie beitragen: Allein die weltweite Zementherstellung ist für bis zu acht Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Hinzu kommt, dass die Baubranche in Europa fast 50 Prozent aller Rohstoffe verbraucht und nahezu 60 Prozent des Abfall-Aufkommens verursacht. Auch wenn der Löwenanteil auf den Tief- und Hochbau entfällt, muss der Ausbau – wozu die Raumausstattung zählt – in Zukunft ebenfalls dazu beitragen, ein nachhaltigeres Leben zu ermöglichen.

Kreislauf-Prinzip: Zirkuläres Bauen

Zirkuläres Bauen2Neben Entwicklungen wie der Cradle to Cradle-Philosophie rückt in der Baubranche auch ein weiteres Kreislauf-Prinzip verstärkt in den Fokus der Baubranche: das zirkuläre Bauen. Gemeint ist damit die vollständige Integration der Baumaterialien in den Recyclingkreislauf. Laut der aktuellen Studie „Architectural Barometer – Circular and sustainable construction“, der USP Marketing Consultancy, NL-Rotterdam, gehen die befragten Architekten davon aus, dass bis 2030 in Deutschland nur noch zirkulär gebaut werden kann. Ziel des zirkulären Bauens ist die Vermeidung von Emissionen, die Verringerung von Abfällen und eben die Wiederverwendung von Materialien. Dem System des zirkulären Bauens liegt der Gedanke zugrunde, dass im Gebäudebestand angesammelte Materialien als Quelle für Sekundärrohstoffe dienen können. Werden diese „Rohstoffminen“ erneut nutzbar gemacht und vor dem Abfalltod bewahrt spricht man von „Urban Mining“. Um Materialien nach ihrem (ersten) Nutzungsende wieder aufzuschließen und die Stoffe in einen neuen Kreislauf zu führen, müssen sie vor allem frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen sein. Zudem ist eine Sortenreinheit anzustreben, denn das Trennen von Verbundwerkstoffen oder -systemen ist entweder unmöglich oder kosten- und energieintensiv. Da es in Bestandsbauten nahezu unmöglich ist, nach Jahren der Nutzung zu erfassen, welche Materialien verbaut wurden, wird es dazu kommen, dass bereits bei der Erstellung klargestellt werden muss, wie die spätere Nachnutzung erfolgen kann.

Vorausschauend planen

Ein von Bauexperten skizziertes Szenario könnte sein, dass in naher Zukunft jedem Bauantrag ein Rückbaukonzept beiliegen muss. Denkbar ist auch, dass – gerade im gewerblichen Bau – Kautionen hinterlegt werden müssen, die diesenZirkulär3 Rückbau finanzieren. Schon heute ist es daher auch in unserer Branche wichtig, bei der Planung und Beratung an morgen zu denken – sich Gedanken über Rückbau, Entsorgung oder besser noch Verwertung der eingesetzten Materialien zu machen. Auch macht es Sinn, das eigene Angebot dahingehend zu prüfen, ob es nicht auch nachhaltigere Alternativen gibt. Beispielsweise die Verwendung von Stoffen aus Recyclingfasern, Tapeten aus nachwachsenden Rohstoffen, oder Teppichen aus Produktionsresten. Aber auch bei der Verarbeitungstechnik können Alternativen Sinn machen, wie die Verwendung von Klebefolien zur Bodenbelagsverlegung als Ersatz für konventionelle Klebstoffe. Dass man hierzu auch traditionelle Denkweisen in Frage stellen kann, beweist der Bau des weltweit höchsten Holzhochhauses im norwegischen Brumunddal. Bei dem über 85 Meter hohen Gebäude wurde in den tragenden Teilen ausschließlich Massiv- und Leimholzprodukte verarbeitet. Komplett auf Stahl verzichtete man auch im neuen Hochregallager von Lebensmittelanbieter Alnatura und setzte auf zertifiziertes Fichten- und Lärchenholz.

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