Wie werden wir in Zukunft leben und arbeiten? In ihrem „Home Report 2020“ hat Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern die wichtigsten Wohntrends des kommenden Jahrzehnts definiert. Unsere Redaktion hat mit der Zukunftsforscherin gesprochen. 

Was sind die Megatrends der angehenden 2020er-Jahre?
Oona Horx-Strathern: Megatrends  sind keine kurzfristigen Zeitgeist-Erscheinungen, die man an Jahrzehntgrenzen festmachen kann, sondern dauerhafte Veränderungen, die Kultur, Ökonomie und Gesellschaft in Richtung höhere Komplexität verändern. Wir arbeiten mit zwölf Megatrends, die miteinander vernetzt und verbunden sind. Wenn es um Architektur und Bauen geht, ist vor allem die Urbanisierung zu nennen, die immer mehr städtische Lebensräume verwandelt. Wenn wir eher über die Zukunft des Wohnens als Lebensform nachdenken, sind Individualisierung, Silver Society (Alterung), Konnektivität und Mobilität entscheidend.

Ein Blick in die Glaskugel:  Wie werden wir künftig leben?
Glaskugeln haben wir leider nicht im Angebot. Es wäre besser zu fragen: Wie entwickeln sich die verschiedenen Lebensstile? Denn das Wesen individualisierter Gesellschaften ist ja, dass es nicht mehr dieses imposante „wir“ gibt, wie etwa die Kleinfamilien-Lebensform in den 1960er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts. „Wir“ bedeutet heute ein Vielfalts-Wir.  Dabei fächern sich alte Begriffe auf neue Weise auf. „Wir“ werden immer noch ein Zuhause haben wollen, trotz oder gerade wegen unserer erhöhten Mobilität. Aber ein Zuhause muss nicht unbedingt eine einzige Wohnung oder ein Haus sein. Alain de Botton wies in „Glück und Architektur“ darauf hin, dass sich unser Leben in nur wenigen Generationen so stark verändert hat, dass „unser Zuhause uns nicht eine dauerhafte Unterkunft oder eine Möglichkeit zur Aufbewahrung unserer Kleider bieten muss, um diesen Namen zu verdienen. Ein Zuhause kann ein Flughafen oder eine Bibliothek, ein Garten oder eine Autobahn-Raststätte sein.“ Es geht um den Ort oder die Orte, zu denen wir einen intensiven seelischen Bezug haben, der unsere Kontexte definiert. Es wird in Zukunft nicht mehr darum gehen, wie viele Quadratmeter man hat, sondern mehr um die Qualität der Nachbarschaft, die Service-Qualität und das Angebot von „Shared Spaces“. Ich denke, das sukzessive Auslagern von Komfort in den öffentlichen und halböffentlichen Raum ist nicht nur ein effektiver ökonomischer Schritt, sondern auch eine soziale, kommunikative Notwendigkeit. Es gibt immer mehr Singles und in manchen Städten beträgt der Anteil der Single-Haushalte fast 50 Prozent. Wenn wir uns da im Wohnen nicht zusammentun, dann werden wir zusehends vereinsamen. Es geht um ein anderes Denken und neue kommunikative Wohnformen gegen die Einsamkeit. Es gibt eine Art Wohngemeinschafts-Revival auf neuem Niveau, mit Co-Working-Spaces, naturintegrierter Architektur, Sportmöglichkeiten und so weiter. Diese Co-Living-Areale breiten sich überall aus, wo in neuen, ganzheitlichen Konzepten neo-urban gebaut wird. Apartmenthäuser haben in Zukunft eine Bibliothek, ein Kino, Gästezimmer und eine Garage für Shared-E-Mobility.

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Wie werden wir arbeiten?
Bislang war es eine allgemeine Überzeugung, dass die Menschen durch Digitalisierung und Mobilität viel mehr mobil arbeiten oder dass wir mit zunehmender Computerarbeit alle zu Hause in Homeoffices arbeiten wollen. Aber tatsächlich gehen Freiberufler, kleinere Start-ups oder digitale Nomaden sehr gerne in sogenannte Co-Working-Spaces, weil sie Kontakt haben wollen und Gemeinschaft suchen. In Co-Working-Spaces können Menschen unabhängig voneinander agieren und gleichzeitig voneinander profitieren. Arbeit wird nicht einfach nur digitaler, sie wird auch komplex-kommunikativer, und dazu gehört auch die physische Präsenz. Bei Bürogebäuden gab es eine Phase, in der man alles „open space“ gestaltet hat. Heute rücken viele Firmen von ihrer Open Space-Kultur wieder ab. Natürlich brauchen Menschen Kommunikation und Gemeinschaftsorte. Aber sie wollen sich auch zurückziehen. Arbeit tendiert deshalb mehr zu einer modularen Multiplizität, in der man sich sowohl abkapseln als auch in unterschiedlichen Gruppenbezügen bewegen kann, von der Teamsitzung bis zur Großpräsentation.

Future Living Interieur Congress
Das komplette Interview sowie Infos über die Zukunft des Wohnens, Arbeitens und des Einzelhandels lesen Sie in der Januarausgabe 2020 der RZ – Trends Interior Design.

Oona Horx-Strathern ist auch Referentin des Future Living Interieur Congress, der am 12. März 2020 im Rahmen des Münchner Stoff Frühling stattfinden wird. Hier lernen Sie von hochkarätigen Fachexperten, wie wir in naher Zukunft unsere Wohnbereiche, Arbeitsplätze, Verkaufsflächen und Hotels gestalten werden. Denn: Die Einrichtungsbranche befindet sich im Wandel. Wer beruflich in der Innenarchitektur und Einrichtungsszene unterwegs ist, sollte sich darüber frühzeitig Gedanken machen. Mehr Informationen zur Veranstaltung gibt es hier!

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